Duschanbe im Winter (Ein Stimmungsbild):

Duschanbe gehört nicht zu den Plätzen auf der Hit-Liste des AA. Den Planer plagen stets Ängste, wenn die Nachbesetzung eines Postens in Duschanbe ansteht. Auf dem 103-Korridor hört man dann: „Denk´ich an Duschanbe in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht!“

Wer sich in der Vakanzenliste für den Dienstposten „Duschanbe“ einträgt, erntet von vielen Mitstreitern im Amt ein mitleidiges Lächeln. Freunde fragen ungläubig, „wo liegt denn das“. Erst die Erklärung zur geographische Nähe Afghanistans bringt Licht ins Dunkel. Hat man dann den Versetzungserlaß in der Hand und macht im Amt seine Vorbereitungsrunden, wird man von wohlmeinenden Kollegen gefragt, was man verbrochen habe, um hier zu landen, oder hört nur den Ausruf: „was? Duschanbe?. Ach du Schande!“ oder ein Hämisches „Na ja, ist ja alles mit der Auslandszulage abgegolten!“

 

Der Vorteil für den Neuankömmling ist, dass man ob solch ermunternder Anteilnahme mit Null-Erwartung in Duschanbe landet. Zunächst ist man angenehm überrascht. Den Sommer mit seinem langweilig blauen Himmel und seinen 40 Grad (+) und mehr kann man noch einigermaßen ertragen. Man flüchtet nach Möglichkeit in die Kühle der Häuser und freut sich, wenn Strom da ist, der die Klimageräte betreibt.

 

Auf welches Abenteuer man sich eingelassen hat, erfährt man aber erst richtig im Winter. Mit dem ersten Schnee tauchen auch dann auch gleich geballt die Probleme auf. Die Stadt sieht wie verzuckert aus. Die Straßen sind leergefegt. Die „Marschrutkas“ (Sammeltaxen mit festen Fahrtzielen, landläufig als (Ma-)Schrottkas bekannt) rutschen nur noch sporadisch, weil Benzin bzw. Gas sofort zu knappem Gut geworden ist und der Preis sich verdreifacht hat. Die Oberleitungen der Trolley-Busse beugen sich der Schneelast und reißen ab. Glück hat, wer mit seinem Privatwagen eine herunterhängende Leitung rechtzeitig erkennt und ihr ausweichen kann.

 

Mit Beginn des Winters bildet der Kampf um innere Wärme zuhause eine der Haupttätigkeiten des Auslandsbediensteten. Die alte russische Block-Heizung ist meist wahlweise auf Gas- und Strom umstellbar, wenn denn eine Energiequelle funktioniert. Stunden- und manchmal tageweise Ausfall von Gas gehören zum Alltag. Gottseidank kann man noch die Stromquelle aktivieren. Da anscheinend alle dasselbe Ziel haben, nämlich hinterm behaglichen Ofen zu sitzen, läßt die böse Überraschung nicht lange auf sich warten.

Was soll´s, man hat ja noch den Notstromgenerator. Der ist aber nicht in der Lage, alle Räume mit Wärme zu versorgen. Das liegt daran, daß die Blockheizung ein Energiefresser ist, und die Häuser über keinerlei Isolierung verfügen. Im „Knackwinter“ ist es daher vielfach kaum möglich, den Wohnräumen mehr als 15 Grad Wärme (immerhin +Grade) einzuhauchen.

Das bißchen Wärme geht dann durch die Fensterritzen gleich in den Vorgarten. Blumen gibt es dann reichlich, aber nur an den Fensterscheiben. Hinausschauen kann man besser durch die Ritzen in den Fensterrahmen.

Soll die Waschmaschine angeworfen werden, müssen andere Stromverbraucher abgeschaltet werden. Man entwickelt sich zum Energieplaner und läuft mit dem Kalkulator durch die Wohnung, stets prüfend, ob man sich den Betrieb dieses oder jenes Gerätes noch zusätzlich leisten kann, bis das Maximum des Generators erreicht ist. Ist der Stadtstrom zurückgekehrt, wird die Freude darüber dadurch getrübt, daß die Eingangsleistung gerade mal 160-180 V erreicht, was sensible Geräte nicht mögen.

Die Hausfrau hat ein besonders schweres Los, will sie eine warme Mahlzeit pro Tag zaubern, und vielleicht auch noch Gäste verwöhnen. Gekocht wird schon frühzeitig am Nachmittag, wenn vielleicht noch Gas oder Strom (oder an ganz guten Tagen beides) vorhanden ist. Ansonsten wird noch ein kleiner Propangaskocher als eiserne Reserve aus der Abstellkammer geholt. Hier handelsübliche Kombiherde haben zwei Platten für Elektro und zwei Flammen für Gas. Also muß in Etappen gekocht werden. Wenn die Kartoffeln oder der Reis fertig sind, kommen sie – nach Großmutters Art - unter die Bettdecke zum Warmbleiben, damit die freiwerdende Herdplatte für die weitere Essenszubereitung genutzt werden kann.

 

Bei diesen Kalamitäten freut man sich aufs Büro, da der Dienstherr für leistungsfähige Energiequellen gesorgt hat. Schon beim Annähern an das Dienstgebäude muß man jedoch erfahren, daß auch die Botschaft von der Strommisere nicht verschont wurde. Der Generator läuft und läuft. Dank seiner Leistungsstärke können die Diensträume ausreichend mit Wärme versorgt werden. Der Hausmeister kommt dann kaum mit dem Nachfüllen des Dieseltanks nach. Kopfschmerzen bereitet das Wasser. Die Wasserleitung ist eingefroren. Jetzt hilft nur noch, möglichst sauberen Schnee im Eimer zu sammeln und an der Heizung zu Kaffeewasser zu transformieren (man muss eben Prioritäten setzen).  Für alles Andere wird die Badewanne mit Schnee gefüllt.


Kaffeewasser


Tadschikische Winter-Wasserversorgung


 

Wenn dann das Wasser wieder fließt, kommt es als braune Brühe aus der Leitung. Fangopackungen können in der Badewanne ohne Aufpreis genommen werden. Bräunungs-Makeup ist hier nicht erforderlich.

 

Der Gesundheitsdienst empfiehlt: Obst vor dem Verzehr gründlich waschen!


 

Die Morgenrunde beginnt im Winter immer mit der Frage reihum: „Wer hat Strom, Gas, Wasser (oder etwa alles?), wie hoch ist die Temperatur zuhause?“ Die Antworten sind durchweg traurig und variieren höchstens zwischen 13 und 17 Grad (glücklicherweise im Plusbereich), ein Kollege berichtet aufgrund eingefrorener Wasserleitung von seiner Mineralwasserdusche (nicht zur Nachahmung empfohlen).

 

Je länger der Winter andauert, je mehr Spuren hinterläßt er bei der Schar der Duschanbe-Mutigen. Ungeduld und bisweilen Gereiztheit macht sich breit. Aufheiterung kommt erst dann auf, wenn zu Mitte Januar die Urlaubsliste herumgeht und jeder sich beeilt, seine Daten für die „Aus-Zeit“ aus Duschanbe einzutragen.

 

Den für das Wohl und Wehe der Bediensteten in Duschanbe Verantwortlichen in der Zentrale kann man nach einem durchlebten Winter nur zurufen: „Bleibt Duschanbe und den dort Ausharrenden weiterhin gewogen“.

 

(Das Redaktionsteam Duschanbe)